Ich verehre Stefan Niggemeier…

ehrlich! Er hat eine gute  Meinung, schreibt vorzüglich, der Blog, auf dem er das auslebt, ist umsonst sowie frei von Werbung und sein Herz schlägt auf dem richtigen Fleck. Ich hätte gerne elf Kinder von ihm (was aus verschiedenen Gründen scheitern wird), und glaubt mir, die würden was hermachen. Aber: Etwas Undefinierbares störte mich schon immer, ich konnte das jedoch nie in Worte fassen. Das ist nun vorbei. Denn zum ersten und letzten Mal (nehme ich an) kam ich Stefan zuvor, und hatte mir also schon Gedanken gemacht. Es ging um „Deutschlands 50 Beste“. Ich habe dazu VOR ihm gebloggt (was mir in diesem Leben wohl nicht wieder gelingen wird. Aber nicht nur das, ich finde auch meine Schwerpunktsetzung besser als seine. Während ich mich dazu äußere (bzw. mir es eigentlich erspart habe, weil ich es zu offensichtlich fand), dass die Themensetzung maximal albern ist, kritisiert er die Wahlmodalitäten. Ich finde das unwichtig. Um es jetzt noch mal ausdrücklich zu sagen: Ich finde es saubescheuert, erstens: die Deutschen getrennt nach Männern und Frauen zu bewerten (was macht denn so ein Pimmel für einen Unterschied?) und zweitens: Leute mit und ohne Fleischpeitsche nach Nationalität zu beurteilen. Was hat denn so ein Pass für eine Aussagekraft, ich hätte gerne die Albanerinnen und Albaner mit im Wettbewerb gehabt, denen wird manches schwerer gemacht, sie hätten es verdient. Dem Stefan ist das, da ähnelt er einem deutschen (oder auch albanischen) Verwaltungsbeamten, egal (oder auch nicht, zumindest wird zur Fragestellung geschwiegen). Die Stimmen der einfachen Leute aus dem Volk wurden vom ZDF einfach nicht berücksichtigt, berichtet er. Ich sage da mal: Dem stehe ich erfrischend gleichgültig gegenüber. Wer seine Stimme für die besten Deutschen, männlich/weiblich, abgibt, ist für die gute Sache eh verloren.

NACHTRAG: Der Skandal hat sich nochmal ausgeweitet: Das ZDF hat nicht nur nicht die Stimmen aus dem Volke nicht berücksichtig, es hat auch die FORSA-Umfrage manipuliert, die dem Ergebnis dann zugrunde gelegen haben soll.

Journalismus?

Gibt es Leute, die den BILDblog nicht mögen? Ich bin Fan (selbstredend verehre ich auch Stefan „Gottvater der aufrecht Empörten“ Niggemeier) und finde eigentlich immer was Spanndendes, mal lustig, mal zum Aufregen, je nachdem. Aber ich kenne mich im Internet ja auch noch nicht so gut aus. Dankbarkeit gebührt BILDblog unter anderem dafür, mich stets über den neuesten Quatsch aus dem Tagesschaublog auf dem Laufenden zu halten. Höchst unterhaltsam war zum Beispiel diese Rechtfertigung der Berichterstattung zu Michael Schumachers Skiunfall, verfasst vom Ersten Chefredakteur Dr. Kai Gniffke. (In diesem lustigen Post dazu gelang es mir, alle Schimpfwörter, die ich kenne, mindestens einmal unterzubringen). Nicht so rasend komisch, dafür aber um so mehr zum Nachdenken herausfordernd (zum Beispiel über die Frage: „Sind die total irre oder doch ich?“) präsentiert sich dieser Eintrag zur Ukraine-Berichterstattung. Letztere kam nicht nur bei Verschwörungstheoretikerinnen und Montagsdemonstranten wegen Ihrer, für meinen Geschmack, zu „pro-westlichen“ Einseitigkeit nicht uneingeschränkt gut an. Gänzlich unbegründet findet Dr. Kai Gniffke das und schreitet zur Rechtfertigung: Es habe viel Kritik zur Berichterstattung gegeben, räumt er ein. Allerdings scheint noch nicht ganz festzustehen, ob aus berufenem Munde: „Ich möchte gar nicht spekulieren, ob es sich dabei um eine Kampagne handelt und wer potenzielle Initiatoren sein könnten.„. Er möchte gar nicht spekulieren? Macht dann aber genau das? Haben wir es mal wieder mit einem Fall von Zwangsjournalismus, diesmal auf höchster Leitungsebene, zu tun? Spannend. Vielleicht doch eher ein sehr ungeschickter Verteidigungsversuch einer in die Defensive geratenen Redaktion? Mit ob ihrer Dürftigkeit fast mitleiderregenden Ausreden geht es dann zumindest weiter. Die Berichterstattung war tadellos, aber selbst wenn sich kleinere Mängel eingeschlichen haben sollten, kann Kai Gniffke das erklären:

Ich ziehe den Hut vor den Korrespondentinnen und Korrespondenten, die in dieser revolutionären Situation versucht haben, ein klaren journalistischen Kurs zu halten in einer Zeit, in der es kaum gesicherte Erkenntnisse und keine unabhängigen Quellen gab. Und das unter äußerst schwierigen Bedingungen wie persönlicher Bedrohung, Schlafmangel und Kälte.

Herrlich. Er zieht also den Hut vor denjenigen Reportern, die VERSUCHT haben, einen klaren journalistischen Kurs zu halten? Mit anderen Worten, gelungen ist es nicht? Nein, das war nämlich unmöglich. Denn: Es gab kaum gesicherte Erkenntnisse und keine unabhängigen Quellen! Nun hab ich ja von Journalismus echt keine Ahnung und weiß nicht genau, wie „unabhängige Quelle“ definiert wird. Aber für mich klingt das doch ein bisschen nach „Herr Lehrer, der Hund hat die Hausaufgaben gefressen!“. Was auch immer so eine unabhängige Quelle sein mag – Gleichartige strukturelle Probleme der Informationsgewinnung dürften doch in allen bürgerkriegs(ähnlichen) und revolutionären Situationen gegeben sein. Was hier das einzigartige Charakteristikum der Maidan-Unruhen sein könnte, das es rechtfertigen würde, von journalistischen Standards abzurücken, bleibt unklar. Mir zumindest, aber es geht ja noch weiter: Nicht nur die Quellenlage war desaströs, nein, die Reporter waren auch noch müde und es war kalt. Was sollen denn erst die Paparazzi sagen, die in einer Mülltonne auf Fotos von Gerhard Schröders Geburtstagsparty lauern?  Da riecht es außerdem noch sehr schlecht.

Es folgen dann noch einige inhaltliche, wiederum etwas dünne und mit Selbstverständlichkeiten gespickte Erläuterungen („Übrigens war die Regierung Janukowitsch unstreitig demokratisch legitimiert.“ Ja, Kai Gniffke, das hat sich schon seit längerem herumgesprochen, Du verkündest das jetzt ganz stolz, fast so, als habest Du das erst kürzlich entdeckt!) und sogar ernsthafte Selbstkritik:  „Da kommen einige Kollegen argumentativ ganz schön in die Bredouille.“ Das kann mich dann aber auch nicht mehr trösten. Dafür war die Einleitung in ihrer selbstgerechten Dummdreistigkeit einfach zu verstörend.