Eine Kreuzspinne namens Tomate

Am Sonntag habe ich Anne Will geschaut. (Was hat das denn mit der Spinne zu tun? Antwort: nichts, aber, kann sein, dass ich mich da in was reingesteigert habe, „Eine Kreuzspinne namens Tomate“ ist einfach ein besserer Titel als „Onkel Maike deckt auf: Überangebot an fiesen Rechtspopulisten in ARD-Talkshow“).

Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich politische Solidarität mit Anne Will, die ich eigentlich (ebenso wie ihre Kollegen Günther Jauch und Frank Plasberg) verachte für ihre miese Talkshow, die meines Erachtens einen nicht unerheblichen Beitrag zur Entdemokratisierung des politischen Diskurses leistet (Ja, wieso guckst Du die Sendungen denn dann, Maike, schaue doch lieber die Diskussionsveranstaltungen auf Phoenix – Ach, lasst mich doch in Ruhe). (Ist es sinnvoll, so viele vom Thema abschweifende Fragestellungen in Klammern in Texte zu fügen? Da bin ich mir unsicher). (Vielleicht eher nicht). (Dem Internet habe ich entnommen, dass dort schon ab 30,- Euro Kreuzspinnen zu erwerben sind, die dann in tupperwareähnlichen Käfigen gehalten werden können; Leute, die im Internet Spinnen verkaufen, scheinen überdurchschnittlich häufig den Vorschlägen des Duden eher gleichgültig gegenüber zu stehen: „Die Spinne ist aus Costarika“; Vogelspinnen können eine Glatze bekommen).

Bei Anne Will ging es um das schweizerische Referendum zur Einwanderung, eine aus vielen Gründen interessante Fragestellung (ich kann da jetzt aber leider nicht näher Stellung zu beziehen, sondern muss weiter nach Kreuzspinnen googeln).

Beschäftigt und auch erschrocken hat mich die Gästeauswahl. Neben Jean Asselborn, dem Außenminister von Luxemburg, auch so ein Immer-Gast, Gesine Schwan und dem Chefredakteur der Neuen Zürcher Zeitung waren gleich zwei Nazis (Na gut, nicht Nazis, dann eben Rechtsradikale, na gut, nicht Rechtsradikale, dann eben Rechtspopulisten), also gleich zwei Rechtspopulisten eingeladen. Mich irritiert ja auch, dass Thilo Sarrazin so selbstverständlich in deutschen Talkshows auftreten darf. Meiner Meinung nach ist der ein Sozialdarwinist und seine Bücher müssten mal auf den Tatbestand der Volksverhetzung hin überprüft werden. (Aber mich fragt ja keiner). Neben den Normalos waren also noch Christoph Mörgeli, Schweizerische Volkspartei und federführend am Referendum beteiligt, sowie die AfD-Sprecherin Frauke Petry eingeladen.

Ich habe mich in jüngster Zeit damit beschäftigt, ob es sinnvoll sein kann, sexistische oder rassistische Musik, zum Beispiel HipHop, zu indizieren und denke eigentlich, dass es allgemein nicht zielführend ist, unliebsame Inhalte aus der öffentlichen Diskussion zu verbannen. Die Ansichten bleiben ja trotzdem in den Köpfen und in der Sprache, deswegen muss sich aktiv und offensiv mit ihnen auseinandergesetzt werden, die Dinge zu tabuisieren, nützt nichts. Aber dennoch sollte immer gefragt werden, welchen Ansichten wo und wie ein Forum geboten wird. Herrn Mörgeli und Frau Petry halte ich beide auf je sehr eigene Weise für ungeeignet, als Diskussionspartner_innen im Rahmen von Talkshowauftritten daran mitzuwirken, öffentliche Debatten in eine emanzipatorische Richtung voranzutreiben. (Was aber nichts macht, die haben andere Talente. Mörgeli kann sofort als nächster James Bond Bösewicht gecastet werden. Durchgehend, ich übertreibe nicht, lag ein unheimliches, sadistisches Grinsen auf seinem gemeinen Gesicht, das zum Beispiel gut zu der Vorfreude passt, zahlungsunfähige Schutzgeldschuldner, feindliche Agentinnen oder einen spanischen Einwanderer gleich einem Rudel Vogelspinnen zum Fraß vorzuwerfen, Gerd Fröbe wäre beeindruckt. So ungefähr stelle ich mir die Aura von Hermann Göring vor.) Die AfD-Sprecherin imponierte hingegen primär durch nachhaltige Argumentierunfähigkeit (das muss man auch erst mal schaffen, diesbezüglich in einer ARD-Talkshow negativ aufzufallen). Wenn ihr eine unangenehme Frage gestellt wurde, entgegnete sie, dass solche Fragen unzulässig seien, ohne das aber begründen zu können. Als sie mit einem peinlichen Auszug aus dem AfD-Programm konfrontiert wurde, leugnete sie, dass dieser Auszug existiere. Wenn sich Politiker in einem so hohen Maße der argumentativen Auseinandersetzung entziehen, verängstigt mich das. Da wird dann etwas behauptet, zum Beispiel „Wegen der vielen Ausländer wird die Schweiz zubetoniert!“ (Kann man ja mal so in den Raum werfen, wenn einem gerade langweilig und kein Folterkeller in der Nähe ist, wo es natürlich amüsanter wäre). Sollte daraufhin jemand nachfragen, wird die Antwort einfach verweigert. Wozu auch, das rassistische Ressentiment wurde befriedigt, die Zielgruppe hat sich bereits erfreut grunzend anderen Dingen zugewendet. Mich deprimiert das alles. Ich finde ja eh schon, dass Anne Will und Konsorten sich nicht als vorbildliche Förderer demokratischer Debattenkultur hervortun. Aber das war jetzt noch mal eine Stufe schlimmer.

(Ja, und wer ist jetzt eigentlich diese Kreuzspinne?, quengeln aufmerksame Lesende mit gutem Gedächtnis. Ja, das weiß ich doch nicht, hätte ich genügend Informationen oder Phantasie über Tomate, dann hätte ich doch diesen Quatsch-Artikel über Anne Will nicht geschrieben.)