Jammerfeminismus vs. Indianerfeminismus

Es gibt ja viele Feminismen, den Differenzfeminismus, den Gleichheitsfeminismus oder den Schwarzer-Feminismus (wobei ich nie weiß, was damit gemeint ist), um nur ein paar zu nennen. Mit dem Artikel „Die Barbie-Feministinnen“ von Mirna Funk im letzten Freitag sind nun zwei wichtige weitere Ausprägungen in den Focus gerückt: Der Jammer- und der Indianerfeminismus (vielen Dank an Bloggerin 1falt, welche den trefflichen Begriff in ihrem lesenswerten Blogeintrag aufwirft). Der Artikel ist sehr diskutierenswert (was auch die vielen interessanten Kommentare unter dem auch in der Online-Ausgabe des Freitag belegen). Er enthält viele kluge Aussagen, aber auch einen Haufen gemeinen Mist.

Um die Kernaussagen zusammenzufassen: Mirna Funk meint, das Hauptproblem der westdeutschen Frauen liege darin, dass sie patriarchales Denken verinnerlicht hätten und damit selber ihr größtes Problem seien. Sie sollten sich ein Beispiel an der ostdeutschen Kultur bzw. den Frauen, die diese leben, nehmen. Die Frauen sollen nicht jammern, dass sich Karriere und Familie nicht vereinbaren lassen, sondern einfach zur Tat schreiten. Ebenso lägen sie falsch damit, sich und ihre Geschlechtsgenossinnen (Mitvaginistinnen) als steter sexueller Belästigung unterworfen zu empfinden. Stattdessen sollten sie selbstbewusste Subjekte sein, und sich die emotionalen, finanziellen und körperlichen Defizite der ihnen unterlegenen Belästiger vor Augen halten.

Onkel Maike ist ja nun wirklich der erste in der Schlange, wenn es darum geht, anzuprangern, dass im aktuellen Mehrheitsdiskurs die Errungenschaften der DDR zu stark unter den Tisch gekehrt werden. Gerade im Bereich Gleichstellung waren sie im Osten (ich empfehle einen Blick ins DDR-BGB) in vielen Bereichen fortschrittlicher als im Westen. Es wäre gesellschaftspolitisch nach meinem Dafürhalten höchst sinnvoll, sich mit dem, was dort gut funktioniert hat, näher auseinanderzusetzen, statt das alles totzuschweigen bzw. für unmöglich zu halten (wer wagt, anzudeuten, dass es Kindern vielleicht gar nicht schadet, früh in die Ganztagsbetreuung zu kommen, findet bestimmt auch die Stasi toll).

Seit meinem Auslandssemester in Russland finde ich auch, dass einige westdeutsche Frauen einen Hang zum Jammern haben (öhm, ich selber wieder vorneweg). Wir neigen dazu, uns stark über die Umstände zu beschweren und weniger dazu, diese zu verändern oder darüber nachzudenken, wieso wir uns diesen Umständen nicht geschickter angepasst haben.

Der Artikel wirft interessante Fragen auf, über die näher nachgedacht werden sollte. Aber, bevor ich Aktivitität entfalten kann, muss ich leider erst mal ein bisschen rumjammern, über die eine oder andere entsetzliche Implikation, die der Artikel ja dann leider doch auch enthält: Fundamentalkritik an #Aufschrei finde ich intolerabel. Den Frauen, die sich durch sexistisches Verhalten verletzt fühlen und sich darüber beschweren (darin möglicherweise, hui, strukturell begründete Machtverhältnisse sehen, die sie ändern wollen), die Fähigkeit, sich selber als Subjekte sehen zu können oder zu wollen, absprechen zu wollen? Ähm. Nein! Ja, natürlich kann frau (und man übrigens auch) viel widerliche Scheiße aushalten, wenn frau und man meinen, dass es sein muss. Aber vielleicht denken viele Leute, dass es für ein gutes Leben nicht reicht, irgendeinen Mist mitzumachen (auch wenn der es einem ermöglicht, sich, wie Frau Funk, einen Porsche zu kaufen), sondern dass dafür die Ansprüche ein bisschen höher geschraubt werden müssen. Um die Argumentation mal ein bisschen auf die Spitze zu treiben: Auch der Mann, der seine körperlich schwächere Frau misshandelt, die davon so gedemütigt und entmutigt ist, dass sie es nicht schafft, ihn zu verlassen, tut dies vermutlich aus einem defizitären Selbstbewusstsein heraus. Das nützt der Frau ab einem bestimmten Punkt aber nicht mehr so viel. An dieser Stelle könnte ich noch lange weiterjammern. Vielleicht sei abschließend die kurze Anmerkung gestattet, dass Menschen je nach dem, was sie individuell erfahren haben, unterschiedlich sensibel auf Verletzungen reagieren. Das ist nicht nur ein individueller Verdienst, wenn jemand da souveräner ist als andere.

Frau Funk tröstet sich, als sie während eines Autounfalls sexistisch beschimpft wird, damit, dass sie einer höheren sozialen Schicht zugehörig ist sowie eine längere Lebenserwartung hat, als ihr Kontrahent. Herzlichen Glückwunsch dazu! – Wir bräuchten jetzt nur noch eine Hilfestellung für die ganzen Frauen, die sich in derartigen Konfliktsituationen nicht in so einer günstigen Position bezüglich der sozialen Hierarchie befinden, idealerweise sollte sie auch nicht unter einer ernsten Krankheit leiden. Im Ergebnis würde ich sagen, dass der Indianerfeminismus (d. h. Frau kennt keinen Schmerz und kämpft sich ohne Rücksicht auf Verluste irgendwie durch) so seine Tücken hat.

Nun denn, genug gejammert (es gäbe da noch mehr – Die Thesen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind, freundlich gesagt: dumm!) Stattdessen möchte ich lieber zu ein wenig Toleranz und Solidarität aufrufen. Der Indianerfeminismus hat viele Stärken, vor allem können seine Vertreterinnen als Vorbilder und Wegbereiterinnen dienen. Sein großes Manko liegt in der mangelnden Solidarität und, wie ich finde, Oberflächlichkeit (Vertreterinnen des sozialistischen Zottelhippie-Feminismus, beispielsweise, wie ich eine bin, fühlen sich zumindest gleichzeitig ausgegrenzt und intellektuell unterfordert). Die Jammerfeministinnen hingegen können unter anderem lernen, ein bisschen weniger egozentrisch und dafür etwas zupackender zu sein.