Stellt Euch vor, es ist Sarrazin und keiner geht hin!

Der schnauzbärtige Unhold hat ein neues Buch geschrieben. Es zeichnet sich ab, dass er damit wieder eine breite öffentliche Aufmerksamkeit erreichen wird. Da der Autor mit seinen Thesen auf besorgniserregend viel Zustimmung stößt und darüber gesprochen werden muss, ist das auch gut so.

Die Art und Weise der Debatte ist meines Erachtens allerdings dringend verbesserungswürdig. Thilo Sarrazin darf nicht als gleichberechtigter Partner in öffentlichen Diskussionen neben Menschen, welche die demokratischen Grundwerte unserer Verfassung vertreten, erscheinen. Der Nazi-Skinhead Manfred Brothonk aus Dortmund-Ochsenbüttel wird auch nicht zu Beckmann in die Talkshow eingeladen. Dasselbe muss für Thilo gelten. Er ist ein lupenreiner Sozialdarwinist und Rassist und nicht salonfähig. Wenn wir mit ihm und nicht über ihn und vor allem über seine Anhängerinnen und Anhänger (was, wie gesagt dringend notwendig ist) sprechen, dann wird damit impliziert, dass seine rassistischen Aussagen der Auseinandersetzung würdig sind. Sind sie aber nicht. Wir diskutieren ja auch nicht, ob der Holocaust stattgefunden hat (und nein, leider ist das nicht so sehr anders, Sarrazin bewegt sich genau in dieser unheilvollen Ideologie und Denktradition).

Es soll noch mal kurz daran erinnert werden (für meinen Geschmack geschieht das nämlich nicht ausreichend), dass im März letzten Jahres der UN-Antirassismus-Auschuss (Ich wiederhole: Die UNO, nicht irgendein hyperradikales, weltfremdes Antifakollektiv!!!, sich diesen Einschub bitte in hysterisch-aggressiv gekreischtem Ton vorgetragen vorstellen), festgestellt hat, dass die Berliner Staatsanwaltschaft (als Behörde des Deutschen Staats) mit ihrer Entscheidung, Thilo Sarrazin nicht wegen Volksverhetzung strafrechtlich zu verfolgen, gegen Deutschlands völkerrechtliche Verpflichtung, Betroffenen wirksamen Schutz vor Rassismus zu gewähren, verstoßen hat. Wegen Thilo Sarrazins menschenverachtender Umtriebe musste die UNO (wieder aggressives Kreischen) angerufen und um Hilfe gebeten werden. Um das noch mal schnell klarzustellen: Es geht hier nicht um diesen einen gemeinen Menschen, es geht um den großen Zuspruch, die „Endlich traut sich mal jemand, das zu sagen“-Fraktion (wieder gekreischt: Nix da mutig getraut, Ihr Vollzeitarschlöcher, Ihr posaunt euren dumpf-bornierten Menschenhass im Schutz der reaktionären Masse schon die ganze Zeit und ständig in die Welt hinaus), die uns unablässig daran erinnern: Aus der Mitte entspringt der Rassismus (Plagiat nach Georg Diez, der hier darüber schreibt).

Links zum Weiterlesen:

Die Entscheidung des UN-Antirassismus-Ausschusses im Original

Eine deutsche Übersetzung wichtiger Auszüge der Entscheidung (leider ein klein bisschen schlampig)

Hervorragend aufbereitete Erläuterungen zum Sachverhalt des Deutschen Instituts für Menschenrechte

Nachtrag:

Während ich den Artikel schrub, verhinderten Demonstranten die vom Magazin Cicero organisierte Vorstellung des Buches im Berliner Ensemble. Es kam zu Tumulten, die Parteien beschimpften sich gegenseitig als „Faschisten“ respektive „Linksfaschisten“ (lese hier), was ja auch ein bisschen lustig ist. Ich bin unschlüssig, ob das jetzt toll ist. Ich wünschte mir, dass der Cicero und das Berliner Ensemble Sarrazin aus freiwilligem Entschluss keine Bühne bieten würden. Um das nächste Mal Handgreiflichkeiten und die Gefahr von Körperverletzungen zu unterbinden, könnte vielleicht die UNO versuchen, den nächsten Sarrazin-Auftritt mit einem Blauhelm-Einsatz zu verhindern?