Für meinen Text zum Verhältnis von Humor und Politik suchte ich neulich erfolglos nach einem guten Beispiel für Realsatire. Alice Schwarzer hat jetzt mit ihrer Stellungnahme zur Steueraffaire geliefert. Danke, ich kriege vor erschrockener Begeisterung Schnappatmung, das ist kaum zu steigern (Unerwartet gelungen jedoch: Titanic-Online hier; vom Postillon hätte ich mir dagegen mehr erwartet, irgendeinen Beitrag, in dem Alice und Uli lustig in einen Topf geworfen werden, zum Beispiel).
Der von vielen prophezeite Anti-Alice-Shitstorm hingegen ist bislang ausgeblieben. Die von mir rezipierten Medien begnügten sich, meiner Einschätzung nach, mit einem angemessen-zurückhaltende-Reaktions-Storm (Ergebnis dennoch sehr unschmeichelhaft). Dies hat sicherlich mit Frau Schwarzers wichtigen, historischen Verdiensten um die Sache der Frauen und dem Bedürfnis, sich nicht mit jämmerlichen Wichten wie Jörg Kachelmann in einen Frauenhasser-Mob einreihen zu wollen, zu tun.
Auch ich möchte mich aus den genannten Gründen zurückhalten, aber ein paar Anmerkungen seien doch gestattet. Vorweg geschickt werden soll, dass das grundsätzliche Problem nach meinem Dafürhalten nicht in Individuen wie Alice Schwarzer oder Uli Hoeneß begründet liegt, sondern im deutschen Steuerrecht. Kurz sei auch vermerkt, dass Steuerhinterziehung nicht eine Angelegenheit reicher Leute, sondern ein Volkssport ist. Viele, die nicht zu arm, faul oder blöd (ich, zum Beispiel) sind, machen das.
Der in § 371 Abgabenordnung (AO) vorgesehene „persönliche Strafaufhebungsgrund“ der Selbstanzeige ist im deutschen Strafrecht einzigartig. Ladendiebinnen, Leuten, die das Sozialamt um ein paar hundert Euro betrogen haben oder Menschen, die eine Hauswand mit Graffiti besprühen und das nachher selber wieder wegputzen, steht dieser Weg zur Strafbefreiung nicht offen. Die allgemeine Möglichkeit zum Rücktritt von einer Straftat nach § 24 Strafgesetzbuch ist viel enger (nach Vollendung der Tat grundsätzlich nicht mehr möglich). Mir kommt der § 371 AO daher ein wenig verfassungswidrig vor. Ähnlich ging es vor längerer Zeit auch mal dem AG Saarbrücken. Das Verfassungsgericht, bei dem zugegebenermaßen lauter Leute mitmachen, die mehr Ahnung von Jura haben als ich, sieht das aber leider ganz anders.
In Deutschland sitzen hunderte Leute im Gefängnis, weil sie Geldstrafen wegen Schwarzfahrens oder ähnlicher Delikte nicht zahlen können. Wäre ich der deutsche Staat, mir wäre das peinlich (zumindest vor Bertold Brecht). Aber da ich ja nicht die Staatsgewalt bin (leider, ich würde sofort Freibier sowie das Bedingungslose Grundeinkommen ausrufen und dann das ZDF und Facebook verbieten), noch eine paar Anmerkungen zu Alice Schwarzer. Ich finde, dass sie und ihr altersstörrisch-patriarchaler Habitus, mit dem sie durch die Talkshows reist, ihr Magazin regiert und die weltdämlichsten Kampagnen erfindet, dem Feminismus eher keinen Dienst leisten. Na gut, dass sie eine so hohe Öffentlichkeitswirksamkeit erreicht, muss anderen vorgeworfen werden. Mal so nebenbei: Liebe Fernsehsender und Fernsehsenderinnen, wenn es anscheinend so anstrengend ist, erträgliche kompetente Gäste einzuladen (und nicht IMMER WIEDER Alice Schwarzer, Jutta Ditfurth, Arnulf Baring und Hans Olaf Henkel), dann macht doch einfach seltener eine Talkshow, dafür aber in gut.
Was ich Frau Schwarzer dann aber doch gerne kurz persönlich ankreiden möchte, ist ihre plumpe elitär-selbstgerechte Haltung. Es ist ihr nicht zu dumm, sich mit „Ich gehöre nicht zu den tausenden, die Schwarzgeld in der Schweiz haben, das bis heute nicht versteuert ist.“ auf die Seite der Gerechten zu schlagen, um dann aber doch ein paar Sätze später zuzugeben, dass sie ihre Steuern lieber doch nur für den Zeitraum nachgezahlt hat, für den sie das MUSSTE, um strafrechtlicher Verfolgung zu entgehen. Das Vermögen bezüglich dessen die Strafbarkeit der Hinterziehung verjährt ist, erstattet sie nicht zurück. Dann lieber schnell eine Stiftung gründen (das ist aber dann doch zu eigenmächtig, Geld klauen und selber bestimmen, welchem Zweck es zugeführt werden soll, wo kommen wir denn da hin?).
Sie beruft sich dann auch noch auf die Rechtsordnung, welche das ausdrücklich vorsehe (Das ist als Globalargument etwas schwach, denn manchmal ist die Rechtsordnung ja auch etwas unzulänglich und sieht so einigen Quatsch vor, bis 1997 zum Beispiel die Vergewaltigung der Ehefrau). Dem Spiegel wird dann noch in Unkenntnis der Rechtslage illegales Denunziantentum vorgeworfen, während Alice genau das ist, was die Leute vom Spiegel nicht sind: Jemand, der einen Straftatbestand verwirklicht hat. Die Verjährung bedeutet lediglich ein Strafverfolgungshindernis, nicht aber, dass die Tat als nicht begangen gilt. (Ebenso bei einer Körperverletzung oder einem Diebstahl, die verjähren auch nach vier bzw. fünf Jahren, begangen wurden sie trotzdem).
Jetzt aber genug geschimpft. Um es noch mal klar zu stellen: Menschen wie Uli Hoeneß und Alice Schwarzer haben sich um den deutschen Fußball respektive die deutschen Frauen sehr verdient gemacht. Ich gönne ihnen als Belohnung gerne ein wenig oder auch ein wenig viel illegal erwirtschaftetes Geld. Aber irgendwann sollte Schluss sein. Von den ganzen Steuern, die Uli und Alice hinterzogen haben, würde Vater Staat bestimmt ein paar schöne Frauenhäuser errichtet haben können. Naja, das hätte er vermutlich eh nicht gemacht, sondern lieber eine halbe flugunfähige Drohne gekauft. So gesehen, ein bisschen verstehe ich die beiden ja auch.