Medienkritik mit Tourette

Es ist ein bisschen wie mit Bushido, besser wäre es, nichts zu sagen. Ich will mich aber aufregen: Der mediale Trubel um Michael Schumachers Ski-Unfall, der in einem als Priester verkleideten Zwangsjournalisten kulminierte, welcher versuchte, sich in das Genfer Krankenhaus einzuschleichen, ist ärgerlich genug. Aber auch nicht schlimmer als jede andere Berichterstattung, die für meinen Geschmack falsche inhaltliche Schwerpunkte setzt. Ein anderes Beispiel wäre die meines Erachtens unangemessene öffentliche Präsenz von Boris Becker. Aber hier gilt natürlich: Wie es Euch gefällt!, auch ich habe bizarre Interessen.

Eine andere Qualität hat für mich dieser,  auf dem Blog der Tagesschau veröffentlichte Text, der vom Bildblog verlinkt wurde: Hier nimmt ein Redakteur der Sendung Stellung zur Kritik daran (was erstmal löblich ist), dass das Thema dort so prominent platziert wurde (die Tagesschau hat mehrfach damit eröffnet, nicht etwa nur das erste Mal, um von dem Unfall und seinen schweren Folgen zu berichten.) Der Verfasser widerspricht der Auffassung, es handele sich bei dem Thema um ein reine Boulevard-Angelegenheit (was bitte ist es denn sonst, Arschloch?). Die herausragende Stellung in der Berichterstattung sei wegen Schumachers besonderer sportlichen Leistungen und seiner außerordentlichen Popularität gerechtfertigt. Daher rühre ein besonders großes Interesse der Bevölkerung an seinem Wohlergehen. Soweit, naja. Über Unfall und Krankheitsverlauf kurz im Sportteil der Sendung zu berichten, fände ich aufgrund des großen öffentlichen Interesses auch in Ordnung. Michael Schumacher konnte schließlich wirklich sehr gut schneller als alle anderen Auto im Kreis fahren (was mich persönlich übrigens beeindruckt, dazu muss mensch nämlich ein sehr großes technisches Verständnis haben und das auch kommunikativ umsetzen können). Aber dem Verfasser reicht das nicht. Deswegen sichert er seine Position mit einem weiteren Argument ab, und das hat mir echt die Schuhe ausgezogen: „Deshalb wäre es töricht von uns, wenn wir in diesen eher nachrichtenschwachen Tagen unsere Sendungen krampfhaft mit sogenannten B-Themen füllen würden.

NACHRICHTENSCHWACHE TAGE? Ich glaube es hackt, Ihr Pimmelköpfe. Wirklich? Wäre Michael Schumacher nicht verunglückt, hätte die Tagesschau-Redaktion verkrampft und nur mit großer Mühe was zum Berichten gefunden? Soll ich das wirklich noch ausführen? Mir fehlen nämlich ein bisschen die Worte. Dann schon lieber mit „Edward Snowden hat sich die Zehennägel geschnitten“ eröffnen. Wer das nicht möchte: Ist nicht gerade Krieg an verschiedenen Orten der Welt? Ach, alles B-Kriege, da kriegen wir nur unter Krampf was Berichtenswertes zusammen. Gibt es nicht weitere drängende Fragestellungen ohne eindeutige Lösungen? Wenn gerade mal gar nichts passiert ist – was nie passiert – Wie wäre es dann denn mal mit ein bisschen Hintergrundberichterstattung, Ihr Penner?

Sehr passend dazu wies mich der befreundete Onkel auf diesen interessanten Link hin: „underreported 2013“. Hier finden sich interessante Anregungen für verkrampfte Tagesschauredakteure zuhauf: Der Hungerstreik in Guantanamo, die desolate Situation in Libyen oder auch die Pipeline-Explosion nähe Mayflower, Arkansas, oder die weltweiten Protestmärsche gegen Monsanto und GMO.

Ich schimpfe so sehr (an dieser Stelle möchte ich übrigens gerne mal meinen lieben manchmal-Leser Guido und seine Familie grüßen), weil ich den angeprangerten Text als offizielle Verabschiedung von Tagesschau/ARD von ihrer Rolle als Teil der vierten Gewalt lese. Das wiederum deute ich als Unterwerfung unter Angela Merkels Alternativlosigkeitspostulat. Wenn sowieso alles alternativlos ist, dann brauchen wir unsere knappe Zeit nicht mehr damit zu verschwenden, unsere gesellschaftlichen Probleme zu benennen, aufzuklären und Argumente auszutauschen, das stimmt.