„Keiner ist so verrückt,…

…dass er nicht einen anderen finden könnte, der noch verrückter ist und der ihn versteht.“

…zitiere ich hier einmal frei nach Nietzsche. Der befreundete Onkel teilt mir ab und an Beurteilungen meiner Persönlichkeitsstruktur mit, die in die Richtung von: „Also, Du bist ja schon völlig irre, Du verrückter Vogel, Du!“ gehen. Ich kontere dann immer sinngemäß, dass ich keineswegs dem Wahnsinn anheim gefallen sei, der Rest der Welt hingegen schon (wie in dem berühmten Witz: „Ein Geisterfahrer? – Nein, Tausende!“). Im Gegensatz zu dem Protagonisten des Witzes, der  irrtümlich verkennt, dass er in die falsche Richtung fährt, ist es in meinem Fall tatsächlich so, dass die meisten anderen Leute verrückt sind, ich aber nicht, ich bin quasi die Gustav Mollath der noch frei Herumlaufenden (ist mir schon klar, dass einmal in die Psychiatrie eingewiesen, ich mit diesem Raisonnement nicht weit kommen werde). Um ein Beispiel zu nennen: Ich laufe im Sommer gerne barfuß in der Stadt herum. Leider bin ich nicht kein siebzehnjähriger Hippie am Strand von Goa, sondern eine zügig alternde Kölnerin, deswegen fällt das auf. Zwar trat ich noch nie in Scherben oder Hundereste und Barfußlaufen ist gesund. Was überhaupt nicht gesund ist, sind Schuhe. Alle Menschen, die sich mit Fußmedizin auskennen, wissen das. Trotzdem stehe ich als die Merkwürdige da und nicht die anderen. „Schuhe sind Fußgefängnisse!“ lamentiere ich den befreundeten Onkel an, ohne dabei eine wahrnehmbare Überzeugungskraft entfalten zu können.

Das wäre jetzt alles tragisch, wenn es nicht letztlich genügend Leute geben würde, die meine vermeintliche Verrücktheit nett oder zumindest unterhaltsam finden würden. Neulich war ich im Schlafanzug auf einer Party. Überhaupt nicht verrückt, sondern praktisch, außerdem war Karneval. Zufällig ergab sich dann ein paar Tage später (zu umständlich, zu erklären, warum genau, aber auch überhaupt nicht verrückt), dass ich in Schlafanzugjacke gekleidet an einem Skatturnier teilnahm (okay, das fand ich selber lustig). Aber selbst, wenn ich ausschließlich in Schlafanzüge und Bademäntel gekleidet in der Außenwelt verkehrte – was wäre daran verrückt? Nichts, das wäre sinnvoll und gemütlich. Verrückt sind ganz andere Sachen und Leute. Zum Beispiel Wettbewerbs- oder Wachstumsideologie. Ich finde es verrückt, wenn Leute freiwillig samstags auf der Schildergasse einkaufen gehen (für die vielen überregionalen und internationalen Lesenden: das ist die stets mit frustrierten Konsument_innen vollgestopfte Kölner Einkaufsstraße). Ich finde auch die meisten Fälle von Autofahren verrückt. Manchmal ist der Gebrauch von Autos praktisch und sinnvoll, meistens aber nicht. Sehr verrückt finde ich auch, wenn Leute neue Hunderassen züchten oder sich einen Zuchthund kaufen und nicht einen aus dem Tierheim nehmen (naja, diese Haltung ist zum Glück nicht allzu originell). Leute wegen Eigentums- und Vermögensdelikten in Gefängnisse zu sperren, finde ich verrückt (das sieht sogar der befreundete Onkel inzwischen ein und fordert für Uli Hoeneß nur noch Sozialstunden). Nicht mindestens eine Stunde pro Tag zu singen, finde ich verrückt (es gibt so viele gute Lieder!), auch wenn ich es selbst manchmal vergesse. Zum Abschluss hier noch ein Link zu einem schönen Schlafanzug-Cartoon.