Realität, Satire und das BWAttraktStG

Während die Weltöffentlichkeit aus aktuellem Anlass diskutiert, was Satire darf und sollte, bin ich mit einer vorgelagerten Problematik beschäftigt. Zunehmend fällt es mir schwer, Satire überhaupt zu erkennen und von der Realität zu unterscheiden: Letzte Woche bin ich zum ersten Mal auf den Postillon hineingefallen. Den, von diesem (wie es scheint) erfundenen „Helene Fischer-Fernsehkanal, welcher auch in weiteren Publikationen angekündigt wurde, wo ich darüber stolperte, hielt ich für ein reales Projekt. (Ich finde das Vorhaben auch nach wie vor ziemlich wirklichkeitsnah, aber egal).

Und dann unterlief mir gestern eine umgekehrte Verwechslung: Auf Titanic-Online fanden sich Witzeleien  über das „Bundeswehr-Attraktivitätssteigerungsgesetz“.  Nur mittelmäßig belustigt, las ich mir das durch und dachte so, bereits im Weiterklicken begriffen: „Was, wenn es tatsächlich ein solches Gesetz gäbe, eigentlich kann das ja nicht sein…“ Und, tatsächlich, ein Gesetz dieses Namens, mit der griffigen Abkürzung „BWAttraktStG“, wurde im Oktober letzten Jahres vom Kabinett verabschiedet (hier der Entwurf).

Also, ich will mich kurz fassen, aber ich finde, wer mit Sprache so umgeht, wer seine Gesetze so nennt, der macht doch die Kabarettisten arbeitslos (und befördert Politkverdrossenheit). Wie daneben ist das denn bitte? Bundeswehr, Soldat sein, im Krieg arbeiten, das ist sicher alles mögliche, in mehr oder weniger vielen Fällen (das hängt natürlich von der politischen Haltung ab) unter anderem notwendig und ehrenwert – aber doch niemals „attraktiv“.

Soldat sein (also jetzt richtiger Soldat mit echtem Krieg und so), ist meines Erachtens für genau zwei Sorten Leute attraktiv: Zum einen für die unrettbar Wahnsinnigen und zum anderen für diejenigen, die keine andere Perspektive auf eine als sinnvoll empfundene und gesellschaftlich anerkannte Berufslaufbahn haben. Ich zumindest kann mir nicht vorstellen, dass ein Mensch der halbwegs bei Verstand ist und dem außerdem alternative Optionen zu Verfügung stehen, sich (und seine Kinder) zu ernähren, freiwillig in den Krieg zieht. Dafür ist das einfach zu unerfreulich und traumatisch, auch für die Angehörigen (in diesem Sinne kann die Bundeswehr, meines Erachtens, begriffsnotwendig auch niemals „familienfreundlich“ sein, einen Papa in Afghanistan wünsche ich nun wirklich keinem Kind – und wenn der wieder da ist, wirds vermutlich auch nicht besser, aber das nur am Rande). Sehr gute (mittelbare) Bundeswehr-Attraktivitätssteigerungsgesetze stellten daher bestimmt die Hartz VI-Reformen dar. Je mehr Menschen ich von guten Bildungs- und Berufsperspektiven ausschließe, je mehr von ihnen ich ins soziale Abseits dränge oder zumindest damit bedrohe, ein desto größeres Reservoir potentieller Berufssoldatinnen und Berufssoldaten wird geschaffen. In den USA funktioniert das doch auch so.